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Kündigung kann an nachlässigen BEM scheitern

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Vorwort


Ist ein Kollege dauerhaft oder immer wieder arbeitsunfähig krank, zieht Ihr Arbeitgeber unter Umständen schnell eine personenbedingte Kündigung in Erwägung. Ganz so einfach, wie sich das so manch ein Arbeitgeber denkt, ist es allerdings nicht. Denn bevor er eine krankheitsbedingte Kündigung ausspricht, muss er in vielen Fällen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Dabei gibt es so einiges zu berücksichtigen. Das lässt sich einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg entnehmen (20.10.2021, Az. 4 Sa 70/20).


Arbeitnehmer erkrankte häufig kurz


Der Arbeitnehmer, ein Mitarbeiter in der Produktion eines Unternehmens, erkrankte zwischen 2016 und 2019 häufig kurz. Er war an 32 bis 51 Arbeitstagen jährlich arbeitsunfähig krank. Sein Arbeitgeber lud ihn daher mehrfach zur Durchführung eines BEM ein. Darauf reagierte er allerdings nicht. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, ihm ordentlich personenbedingt zu kündigen.


Arbeitnehmer reicht Kündigungsschutzklage ein


Der Arbeitnehmer wollte das nicht hinnehmen. Er wehrte sich prompt mit einer Kündigungsschutzklage - mit Erfolg.

BEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt


Das LAG Baden-Württemberg kippte die Kündigung. Es hielt die Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung zwar für gegeben. Die Richter stellten klar, dass sowohl die negative Gesundheitsprognose als auch die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und damit die ersten beiden Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorlägen.

Das Gericht hielt die Kündigung jedoch für unverhältnismäßig. Und zwar mit der Begründung, dass das BEM-Verfahren nicht korrekt eingeleitet worden sei.

Die Richter monierten insoweit, dass der Arbeitgeber in der vorgelegten Datenschutzerklärung die Preisgabe aller Gesundheitsdaten gegenüber der Standortleitunng als seinem Vertreter verlangt habe. Dabei habe es an einem Hinweis, dass die Angaben gegenüber dem Arbeitgeber freiwillig seien, gefehlt. Da die Angaben zur Datenverwendung fehlerhaft seien, sei das BEM nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden.


Hier muss ein BEM angeboten werden

Gesetzlich verankert ist das BEM in § 167 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Dort ist festgelegt, dass Ihr Arbeitgeber allen Beschäftigten ein BEM anbieten muss, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

Ihr Arbeitgeber hat dabei zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Wie diese Klärung im Detail auszusehen hat, gibt das SGB IX nicht vor.
Gesetzlich vorgegeben ist die Beteiligung der zuständigen Interessenvertretung der Beschäftigten, also der Betriebsrat. Bei Schwerbehinderten Beschäftigten muss die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden.

Datenschutz muss eingehalten werden.

Es ist besonders wichtig, dass Ihr Arbeitgeber den Datenschutz einhält und der Betriebsrat diesen überwacht. Denken Sie dabei daran: Ein BEM findet nur mit der Zustimmung des Betroffenen statt. Diese erhält ihr Arbeitgeber allerdings in der Regel nur, wenn er und alle anderen Beteiligten korrekt mit den sensiblen Informationen umgehen.

Hinweis zum Datenschutz zu Beginn

Zu Beginn des BEM ist ein Hinweis an den betroffenen Kollegen wichtig, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis zwingend erforderlich ist, um ein zielführendes, seiner Gesundheit dienendes BEM durchführen zu können. Ihm muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten erhoben werden und gespeichert werden sowie inwieweit und für welche Zwecke sie Ihrem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.
(§ 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX)

§ 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX:

"Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen."